Entbindung im Krankenhaus

Wenn es um unsere Kinder geht, ist unsere Gesellschaft derzeit übersensibilisiert. So jedenfalls empfinde ich das. Es ist schön, dass wir auf das größte in unserem Leben achten, aber andererseits wird dabei auch oft das in der Bloggerszene gerne und oft propagierte “Bauchgefühl” zerstört. Nein, besser gesagt, noch im Krankenhaus direkt nach der Geburt im Keim erstickt. Wie ich darauf komme?

Ich habe gerade frisch entbunden, das zweite Kind, ein kleines (wunderhübsches) Mädchen und wir werden in unser Zimmer gerollt (Ich bin schon jetzt ein wenig grantig, dass ich nicht selbst laufen darf). Zehn Minuten lang habe ich Zeit, am weichen Flaum meines Babys zu schnuppern, dann geht die Tür auf und eine Frau in rosa Kittel steht vor mir:
“Guten Tag! Ich möchte mich kurz vorstellen: Mein Name ist Ursula, ich bin diensthabende Krankenschwester auf der Station. Wenn Sie was brauchen, melden Sie sich bitte!” Ich nicke artig und schnuppere weiter an meinem duftenden Baby. Ich genieße die Ruhe und bin froh, endlich ein bisschen kuscheln zu dürfen. Ungefähr fünf Minuten lang jedenfalls. Dann wird die Tür erneut aufgesprengt und eine Frau in weißem Kittel steht vor mir:
“Guten Tag! Ich bin diensthabende Ärztin auf der Station, mein Name ist Bärbel. Ich muss einmal kurz Blutdruck messen bei Ihnen.” Sie wurschtelt an mir herum und verschwindet wieder. Ich atme auf und vergrabe meine Nase wieder in Babyhaaren, da geht die Tür wieder auf (und mein Puls schnellt so langsam in die Höhe):
“Halloooooo”, flötet Ursula erneut,
“haben Sie schon gepinkelt? Sie müssen pinkeln. Sonst gibt das einen Katheder. Also gehen Se ma, ja? Und lassen Sie die Tür auf, Sie könnten umkippen.”
Ich erkläre, dass ich 1. nicht muss und 2. ganz sicher nicht pinkeln kann, wenn da eine Frau im offenen Türrahmen steht und nur darauf wartet, dass ich pinkele.
“Nun guuuuut, dann schick ich Ihnen den Arzt, der legt Ihnen einen Katheter!” OOORRRRRR.

Es ist Abend. Mein Baby hat in die Windel gemacht. Auf dem Zimmer finde ich alles, was ich brauche, um sie zu wickeln und da mich bisher niemand auf das Babywickelzimmer aufmerksam gemacht hat und hier eben alles vorhanden ist, gehe ich davon aus, dass es jenes wohl auch nicht gibt. Ich wickele mein wohlgemerkt zweites Baby. Zufrieden schlummern wir ein. Die Tür geht zum gefühlt hunderten mal auf. Ursula steht in der Tür.
“Sie sollten Ihr Baby langsam mal wickeln.”
“Das habe ich schon gemacht.”
Schweißperlen sammeln sich auf Ursulas Stirn.
“Wie, Sie haben Ihr Baby schon gewickelt? Das geht doch aber nicht, das müssen wir schon zusammen mal machen!”
“Hier ist ja alles, was ich brauche.”
Ursula tippelt nervös von einem Fuß auf den anderen.
“Das geht aber so nicht! So ist das nicht vorgesehen.”
Ich gucke sie ratlos an. Gewickelt isse ja nun schon. Und nu?
“Wo ist die Windel jetzt?”
“Im Mülleimer. Wo sonst?”
Ursula beginnt, hektisch im Mülleimer zu wühlen, findet das Objekt der Begierde und drückt es fest an die Brust.
“Das nächste Mal kommen Sie bitte ins Babyzimmer!”
Ich nicke artig.

Die Nacht verläuft ruhig, nur zweimal stellen sich mir zwei Ärzte, Putzfeen, Krankenschwestern, waszumkuckuckauchimmer, vor. Um sieben geht die Tür wieder auf:
“Hallooooo,” quäkt es mich an, “ich nehme jetzt mal Ihr Baby mit”, flötet es weiter und grabscht doch tatsächlich nach dem schlafenden Bündel auf meinem Bauch. Mein Puls schnellt in schwindelerregende Höhen.
“Sie nehmen mein Baby nirgendwohin mit! Was wollen Sie denn überhaupt?”
“Blut abnehmen. Wegen der Gelbsucht.”
“Gut. Ich komme mit.”
“Neeee. Gehen Se mal duschen!” (SEHR diplomatisch von der Dame! Ich bin aber lieber mitgegangen!)

Irgendwann im Laufe des Tages habe ich den Eindruck, das kleine Mädchen würde gerne nuckeln, ohne dass sie ununterbrochen essen/trinken muss. Ich gehe zur Station und frage nach einem Schnuller. Große Augen gucken mich an.
“Einen Schnuller?”, werde ich gefragt. Ja, genau. Dieses böse Ding, das mein Baby GARANTIERT saugverwirren und irritieren wird. Genau das hätte ich gerne.
“Das geht nicht.”
“Warum denn nicht?”
“Sie müssen erst einmal zur Saugberatung.”
“Zur was?”
“Zur Saugberatung. So ein Schnuller gefährdet das Stillen.”
Ich gehe nicht zur Saugberatung, sondern bitte den Bären, doch einen sterilisierten Schnuller von zuhause mitzubringen. Das Stillen klappt übrigens wunderbar, hat es von jeher, auch MIT Schnuller.

Ich könnte endlos so weiter machen. Da wäre noch das Stillprotokoll, wo man bitte jedes Stillen mit genauer Zeit- und Brustangabe einträgt und das dann mehrmals kontrolliert wird. Ich habe das Ding gleich in den Mülleimer verfrachtet – wer soll SO denn noch entspannt stillen können?

Entspannt war´s im Krankenhaus jedenfalls nicht, gefühlt habe ich mich wie in einem Irrenhaus, aber das schlimmste: Ich fühlte mich ganz schlimm fremdbestimmt. Traf ich eigene Entscheidungen bezüglich meines Kindes, wurden die sofort in Frage gestellt und mir suggeriert, ich müsse jeden Pups mit jemanden besprechen.

Dass da kein Bauchgefühl entstehen kann, naja….

 

 

2 thoughts on “Entbindung im Krankenhaus

  1. Ja ja ja!!
    GENAU SO habe ich mich im Krankenhaus gefühlt. Ständig kam jemand rein. Einmal nachts um 4 Uhr (!!) “Wir machen jetzt den Hörtest.” – “Äh, der wurde gestern Abend schon gemacht.” Woah.
    War mir immer ein Rätsel wie es andere im Krankenhaus entspannend finden können.
    Habe dazu auch mal gebloggt weil mich das total belastet hat.
    Für mich der wichtigste Grund wieso ich beim zweiten Kind ambulant entbinden möchte.

  2. Ich finde an diesem “alle-zehn-Minuten-kommt-jemand-rein”-Ding auch so schlimm, dass man einfach keine Ruhe findet, um sein Baby kennen zu lernen…

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